Mit Herz, Hingabe und unerschütterlicher Treue – Das Lebenswerk der Sr. Hildegard Haag

Schlicht und fromm, grad und dankbar, genau so wie sie gewesen ist, hat Sr. Hildegard anno 1937 ihren Lebenslauf fürs Archiv verfasst. Sie schrieb wortwörtlich:

Sr. Hildegard Haag, Götighofen (Thurgau)

  • Geboren: 1. März 1887
  • Profess: 8. September 1910
  • Gestorben: 22. November 1951
  • An der Schule tätig: 1924 – 1950

«Der liebe heilige Josef brachte mich in der ersten Stunde des 1. März 1887 meinen teuren Eltern als fünftes Kind. Noch fünf kamen nach, sodass wir zehn Kinder für die guten Eltern das Kapital, von Gott anvertraut, darstellten. Sie ließen uns eine christliche Erziehung angedeihen; wir verlebten eine sorgenlose Jugend im Vaterhaus, auf dem großen Bauernhof in Breitenlo bei Sulgen, Kt. Thurgau. Ich besuchte in Götighofen die Volksschule und wäre gar zu gerne sogleich nach der Schule zum Weiterstudium gegangen. Aber die lieben Eltern brauchten mich auf dem Hof und in der Stickerei, da schon zwei Brüder studierten. Mit 18 Jahren ließen mich Vater und Mutter nach Menzingen, wohin es mich zog, waren doch dort Sr. Gustavine Haag, eine Tante, und Sr. Protasia Herzog, die von meinen Eltern als Pflegekind aufgezogen wurde. Als ich schon einige Jahre Schwester war, erzählte mir liebe Mutter einmal, dass sie fünfeinhalb Monate vor meiner Geburt in Menzingen geistliche Mutter gewesen sei – bei der Profess der Tante – und es hätte ihr so gut gefallen, dass sie mich damals schon dem Herrgott geweiht habe, wenn es so sein Wille sei. Das hat mich schon oft tief gefreut und mir über manche Schwierigkeit hinweggeholfen.

1909 Eintritt ins Noviziat.

Nach der Profess am 8. September 1910 war ich bis 1924 an der katholischen Mädchenrealschule in St. Gallen tätig. Es waren schöne Jahre, ich habe viel gelernt in jeder Beziehung. Als im Frühling 1924 die katholische Mädchensekundarschule in Zürich eröffnet wurde, berief Wohlerw. Frau Mutter Theresita mich als Lehrerin an diese Schule.»

26½ Jahre durfte Sr. Hildegard in Zürich wirken, zehn Jahre davon als Vorsteherin. In unermüdlicher, froher, tapferer und treuer Hingabe leistete sie ein gerütteltes Mass von Arbeit. In ihrer Person war die Geschichte der Schule lebendig dargestellt: von den ersten schweren Wochen, wo die beiden Lehrerinnen um die Anerkennung des Staates kämpfen mussten, bis zum Ausbau in zehn blühende Klassen und weiter bis zum grossen Tag, an dem die zweite Generation ihren Einzug hielt. Man darf wohl sagen, Sr. Hildegard habe der Mädchenschule weitgehend ihre Charakterzüge aufgeprägt.

Im Herbst 1950 forderte der Wille Gottes das Opfer der Versetzung nach Stans. Sr. Hildegard bejahte es mit aller Kraft ihres Willens. Von Stans schreibt eine ihrer Mitschwestern: «Der Segen des Opfers folgte ihr. Wir durften an Sr. Hildegard erfahren, was es Grosses ist um unsere Berufung. Sie war Führerin, Erzieherin, Ideal. Die Behörden schätzten sie. Ihr Ruf als vorzügliche Lehrerin, ihr edler, aufgeschlossener Charakter gewannen auch bald die Lehrerschaft. ‹Wir wollen ihr nach›, fiel als letzter, bewegter Ausdruck eines Herrn Kollegen.»

Nach zehn Monaten kehrte sie schwerkrank nach Zürich zurück. Man versuchte, ihr durch eine Operation zu helfen. Doch der liebe Gott hatte es anders bestimmt. Es kam, wie es Sr. Hildegard am Schluss ihrer Lebensskizze gewünscht hatte:
«Gerne will ich noch schaffen in der Kongregation im Dienste Gottes und der Jugend, solange es ihm gefällt… Und dann wünschte ich mir den Knechtetod, vom allbarmherzigen Gott ein gnädiges Gericht und von den lieben Mitschwestern ihr Gebet.»

Sr. Hildegard war eine ausgezeichnete Lehrerin. Zürcher Mädchen äusserten sich: «Ich ging früher nicht gern in die Schule, aber Sr. Hildegard hat sie mir lieb gemacht.» – «Ihre Stunden sind immer interessant.» – «Wenn sie Rechnungen erklärt, dann klettert auch die Dümmste das Stieglein hinauf.» – «Sie ist eine strenge Lehrerin, trotzdem haben sie alle gern, denn wir spüren, dass sie unser Bestes im Sinn hat.» – «Man meint, rechnen sei nur rechnen, aber Sr. Hildegard gibt uns in jeder Stunde viel fürs Leben mit.» – «In der Naturkunde lehrt sie uns staunen vor der Weisheit und Güte des lieben Gottes.» – Die «Ostschweiz» schrieb: «In St. Gallen wie in Zürich lebt die Erinnerung an ehrw. Sr. Hildegard nicht nur in den Annalen der Schule, sondern tiefer und inniger noch in den Herzen ihrer Ehemaligen, denen sie, neben der mathematischen Schulweisheit, auch die Kräfte ihrer starken Seele schenkte. Gar viele hat sie mit weltoffener Mütterlichkeit ins Leben hinaus begleitet und ist ihnen mit Rat und Tat zur Seite gestanden, als sie selbst schon lange sich als Mütter und Erzieherinnen bewähren mussten. Die Nachricht von ihrem Heimgang hat die Schar dieser Getreuen schmerzlich betroffen.» – Die grosse Liebfrauenkirche Zürich füllte sich zum Trauergottesdienst für Sr. Hildegard wie zu einem Hochamt.

Sie liebte alle Kinder. Am besten aber verstand sie sich auf die Leitung der heranwachsenden Mädchen. Ihr blosses Dasein dämpfte das oft so laute Gebaren, ihr gütiges Nichtbeachten zerstreute manche Schrullen des Entwicklungsalters. Klar schied sie Unwesentliches vom Wesentlichen, jugendlichen Übermut von Charakterfehlern. Mit unerbittlicher Strenge forderte sie Pflichtbewusstsein, Aufrichtigkeit und Bescheidenheit. Immer wieder mahnte sie zu treuer Erfüllung des vierten Gebotes, zum Gutsein und Freudemachen. Sr. Hildegard war jung mit den Jungen und fröhlich mit den Fröhlichen. Kein Misserfolg vermochte ihr Vertrauen und Optimismus zu rauben. Sie besass die Heimeligkeit und selbstlose Güte einer Mutter. Immer wieder klopften Ehemalige bei Sr. Hildegard an. Sie nahm herzlichen Anteil an ihrem Erleben, gab Rat aus ihrer reichen Erfahrung und half mit ihrem starken Beten. In den Wochen vor dem Tode sagte sie ein paarmal: «Ich ginge so gern heim, aber ich bin auch froh, wenn ich noch ein wenig leiden darf, ich habe manche Ehemalige, die es brauchen können.»

Der liebe Gott hatte Sr. Hildegard ein goldenes Talent in die Wiege gelegt. Sie mehrte es durch gewissenhaftes Schaffen und unermüdlichen Eifer nach Weiterbildung. In rührender Demut nahm sie Anregungen entgegen und in selbstloser Selbstverständlichkeit teilte sie ihr Wissen mit andern. Das innerste Geheimnis ihres Erfolges aber war Sr. Hildegards religiöse Haltung. Sie diente im Lehrberuf ihrem Herrn und Gott. Immer wieder betonte sie, Mittelpunkt des Tages müsse die Morgenstunde in der Kirche sein. Im Weiterstrahlen der heiligen Kommunion und im milden Schein der fortgesetzten Betrachtung lassen sich alle Schwierigkeiten meistern. Sie bewältigte in diesem Licht neben der vollen Schulstundenzahl das Amt einer Oberin und die starke Beanspruchung durch Besuche. Auch stand sie nie zurück, wenn es im Haushalt etwas zu schaffen gab. In dieser Kraft ertrug sie jahrelang die Schmerzen der Todeskrankheit und die oft viel schwereren seelischen Leiden. Zwar merkte man wenig davon, höchstens, dass man sie beim Beten des Kreuzwegs antraf.

Es war eine Predigt, Sr. Hildegard in ihrer letzten Krankheit zu kennen. Innert einer Stunde riss sie sich heraus aus dem Schaffen und nahm Leiden und Tod als den anbetungswürdigen Willen des Herrn an. Strahlenden Auges redete sie vom Heimgehen. Immer wieder dankte sie: dankte den Schwestern und der Bevölkerung von Stans, die sie so liebevoll aufgenommen, dankte den Schwestern im Paracelsus, die sie so gut pflegten. Dankbarkeit und Treue waren ein Hauptzug Sr. Hildegards.

Sie war treu der Heimat. 26 Jahre Zürcherluft vermochten den Duft der Thurgauer Ackerscholle nicht zu tilgen. Sr. Hildegard blieb einfach, genügsam und sparsam. Treu war sie sich selbst. Jeder Kompromiss lag ihr fern, jedes Falsch war ihr verhasst. Treu war sie der heiligen Regel, den Oberen und der Kongregation. Es gab für sie kaum eine grössere Freude, als das Knösplein zum Ordensberuf in einer Schülerin zu entdecken. Das hegte und pflegte sie dann mit all ihrer Sorgfalt und Liebe.

Treu war Sr. Hildegard vom ersten bis zum letzten Lebenstag ihrem lieben heiligen Joseph. Wieviel hat sie zu ihm gebetet, wieviel von ihm erbetet! Die Muttergottes kam bei dieser Freundschaft keineswegs zu kurz. Die grosse Namenspatronin, viele andere Heilige und besonders auch die heiligen Engel traten in den Kreis. Die armen Seelen stupfen mich: Sag auch, dass wir an Sr. Hildegard eine grosse Helferin hatten. Letzten Endes strömte alle Treue zusammen in die Treue zu ihrem Herrn und Gott. Wir hoffen, dass sie als «gute und getreue Magd» eingehen durfte in Seine Freude.

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